Entspannt gespannt

Dass ich in diesem Leben nochmal an den Punkt komme, wo ich ganz entspannt bin, das habe ich mir abgeschminkt. Eigentlich dachte ich ja mal, ich würde ruhiger werden mit den Jahren, aber es zeigt sich, dass dem nicht so ist. Noch immer bringen mich Kleinigkeiten von der Rolle, mache ich mir zu schnell und zu viele Gedanken über alles Mögliche, steigere mich aufs Schönste in vermeintliche Probleme hinein, die gar keine sind. Es gelingt mir sogar noch besser als früher.

Aber was soll’s – ich bin nun mal die, die ich bin und die Kehrseite der Medaille ist, dass mich Kleinigkeiten enorm glücklich machen können, ich aus allem Möglichen beflügelnde Gedanken ableiten kann und die Probleme, haben sie sich einmal in Luft aufgelöst (was sie glücklicherweise meist tun) eine Blase geballter Lebensfreude hinterlassen. Durch das stetige Auf und Ab bin ich öfters etwas angespannt, aber langweilig wird mir dabei nicht.
Meinen Liebsten übrigens auch nicht…

Es gibt sie aber, die Inseln der entspannten Musse und wenn ich auf einer bin, so wie gerade jetzt, dann blicke ich trotz Zickzack Kurs zufrieden auf mein Leben im Allgemeinen und aufs letzte Jahr im Speziellen zurück. 

Dass ich mit den vergangenen Jahrzehnten im Reinen bin, auch wenn letztlich in meinem Privatleben nicht alles so gekommen ist, wie ich es mir vorgestellt hatte, zeigte mir kürzlich die spannende und vergnügliche Lektüre des Buches, das ein segelfliegender Abenteurer, den zu kennen ich das Glück habe, geschrieben hat. Da wurden viele Erinnerungen wach an meine Jahre als Gefährtin eines anderen leidenschaftlichen Segelfliegers, der notabene im Buch öfters vorkommt. Fazit: Ich habe das Buch mit Hochgenuss verschlungen und bin weder betrübt noch nostalgisch sondern einfach bloss dankbar und glücklich, dass diese Jahre Teil meines Lebens waren und sind.

Das letzte Jahr wiederum hat mich beruflich ziemlich gefordert.
„Ich finde das ziemlich mutig“, hatte mein ehemaliger Schulleiter gesagt, als ich ihn über meine Kündigung informierte, weil ich mich beruflich verändern wollte. Damals wusste ich nicht recht, was er meinte, aber ich sah ja auch vor allem das kommende Jahr mit sehr viel Freiheit vor mir. Ein Jahr später begann ich zu ahnen, wovon er gesprochen hatte. In meinem Alter nochmals woanders anzufangen, mich auf eine neue Aufgabe, ein neues Team, neue Kinder, neue Eltern, vor allem auch einen neuen administrativen Apparat einzulassen, das war nun wirklich nicht ohne und hat mein oben genanntes Talent zur Hochform auflaufen lassen. 

Es steht ausser Frage, dass ich weiterhin gefordert sein werde – das ist aus verschiedenen Gründen absehbar –  aber mittlerweile bin ich an meinem neuen Arbeitsort angekommen, trällere bei der Fahrt zur Schule wieder vor mich hin wie vor dreissig Jahren und vor allem: Ich habe in den vergangenen Monaten tüchtig dazu gelernt. Das beste Rezept gegen das Altwerden, wie ich finde. Und ein Punkt, an dem ich mich festhalten werde, sollte es wieder anders kommen. 

Ganz nebenbei übe ich mich darin, etwas von meinem Kontrollfreak Dasein abzulegen. Dass der Hummus nun in meiner kleinen Küche angerührt wird und ich zwar – wie angenehm – bekocht werde, aber dafür anderweitig ab und zu ein Auge zudrücken muss, ist auch eine Herausforderung, manchmal. Ich hab ja jetzt nicht soviel Erfahrung mit nicht segelfliegenden und häuslichen Männern. Ist etwas gewöhnungsbedürftig.
Aber ich lerne dazu.

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2 Antworten zu Entspannt gespannt

  1. anneinsideoffice schreibt:

    Das mit neuem gefordert zu werden, ist für unser Gehirn sehr wichtig. Ich habe dies bei meiner Arbeit als Projektleiterin einer Grossbank quasi frei Haus und bin froh darum. So bleibe ich geistig fit. Ich geniesse dafür zu Hause mit meinem Ehemann, alles gleich wie seit Jahrzehnten.
    Bei dir war natürlich das private Leben abwechslungsreicher, aber bei der Arbeit mal was neues tut sicher auch deinem Gehirn gut. Man sieht das meist erst im Nachhinein 😉

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