Die Ferien neigen sich dem Ende zu. Eigentlich wollte ich hier noch was Lustiges schreiben und meine gestrige Einladung unter einen fremden Schirm launig in Szene setzen.
Nun brauch ich aber einen Schirm anderer Art, denn die Berichterstattung im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen lässt mir gerade den Humor vergehen.
Vom Humus, der noch im Land weilt, wusste ich schon von den gestrigen ununterbrochenen Raketenbeschüssen aus dem Gazastreifen. Sie hatten Tote und Verletzte gefordert und einmal mehr wird die Bevölkerung, die in den Schutzräumen ausharren muss, in Angst und Schrecken versetzt. Im Süden blieben zudem die Schulen heute, am ersten Tag der Woche, geschlossen. Und ja, auch in Gaza gab es aufgrund der Reaktionen Opfer, nicht wenige sogar, obwohl nicht klar ist, aus welchen Quellen die Zahlen stammen, und obwohl die israelische Armee im Gegensatz zur Hamas nicht gezielt auf Zivilisten hält. Ein riesengrosser Schlamassel ist das wieder mal.
Ich wusste natürlich schon, was mich erwartet, und als ich den ersten Artikel heute Morgen las, verging mir die Lust auf weitere. Ulrich W. Sahm, Nahost-Korrespondent, hat ebendiesen Artikel analysiert und mir aus der Seele geschrieben.
Vor drei Tagen noch habe ich anlässlich des Holocaust Memorial Day’s Berichte von Überlebenden gelesen und Videos geschaut. Eins davon, das mich aus verschiedenen Gründen persönlich berührt hat, hiess „lust for life“. Diese Lust aufs Leben ist es, was dieses Volk am Leben erhält, trotz all der Widrigkeiten, mit denen es sich konfrontiert sah und sieht. Diese Lust aufs Leben ist es vielleicht jeweils, die mich so beeindruckt und mich durchdringt, wenn ich dort bin. Diese Lust aufs Leben wird Israel vorgehalten. In Tel Aviv ist „business as usual“ angesagt (Zitat aus der heutigen Tagesschau). Pfui. Wie kann man nur. Wo doch weiter südlich und in Gaza gerade mal wieder der Krieg tobt.
Ja, man kann. Man muss sogar. Sonst könnte man sich auch sofort die Kugel geben.
Dass gerade jetzt wieder die Post abgeht, ist nun ja kein Zufall. Vor drei Tagen Memorial Day, in weiteren drei Tagen Independence Day und irgendwann dann auch noch der Eurovisions Contest – das gefundene Fressen für die Hamas. Es ist ein altbekanntes Muster. Egal was läuft oder nicht läuft – Israel wird sowieso an allem Schuld haben.
Heute wollte ich mich von der ganzen Misere ablenken und stürzte mich in Vorbereitungen für die Schule. Bei einer Recherche zur nächsten Klassenlektüre stiess ich aufs Ölboykott von anno 1973. Da ich mich vornehmlich an den mir damals äusserst willkommenen autofreien Sonntag erinnere, an dem ich mit den Rollschuhen kreuz und quer durchs Dorf sausen konnte (das Ölboykott also gerne noch länger hätte dauern sehen), wollte ich es noch etwas genauer wissen.
Allein – mir war keine Ruhe vergönnt, denn siehe, wessen Schuld war das Ölboykott letztlich?
Natürlich war Israel schuld. Wer sonst? Wie kam dieses Land auch dazu, sich zu wehren, als es am Abend von Yom Kippur, dem höchsten Feiertag, überraschend angegriffen worden war.
Der Humus, ein paar Jahre älter als ich, aber auch noch sehr jung, musste in den Krieg und konnte sich in den darauffolgenden Tagen von seiner unbeschwerten Jugend verabschieden. Einige seiner Freunde hatten weniger Glück und verabschiedeten sich vom Leben.
Aber die, die noch da sind, die hängen dran.
Und ich, ich hänge an Israel. Was will man machen?
Danke, dass du darüber schreibst. Ich finde das Thema so niederschmetternd, dass ich dazu keine Worte finde.
Yael
vom Blog „Blick aus dem Bunker“
Ja, es ist schlimm und es muss schrecklich sein, im Bunker zu hocken. Ich mag mir das gar nicht vorstellen. Und ebenfalls schrecklich ist die Blindheit der Masse, die Reaktionen auf der ganzen Welt. Im besten Fall heisst es lahm „Ach, ich weiss eigentlich gar nicht so recht Bescheid…“ (und das ist dann wirklich der beste!)
Der Humus sagt, ich solle mir das nicht alles so zu Herzen nehmen. Aber wie könnte ich nicht?!?