Speedliving?

Der Artikel bringt mich zum Nachdenken. Es geht darum, dass sich heute viele Inhalte online in einem schnelleren Tempo abspielen lassen, was offenbar auch rege genutzt wird. Man kann sich so seine Lieblingsserie in kürzerer Zeit anschauen, die Musik schneller hören, Nachrichten turbomässig abspulen, kurz – man kann Zeit sparen.
Das kommen mir sofort die garstigen grauen Männer aus «Momo» in den Sinn. Wie waren wir uns doch einig, dass Zeitsparerei Blödsinn ist und wir vielmehr das Leben geniessen sollten!
Und heute?
Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich nichts dagegen hätte, wenn mein Gegenüber bei seinen ausführlichen Erklärungen einen Zacken zulegen würde, weil ich es für mich schon auf den Punkt gebracht habe. Oder dass ich mich umgekehrt bei einer Teamkollegin entschuldige, weil …«In meinem Alter dauert das eben bisschen länger…» Oder noch schlimmer: Ich höre eine whatsapp Nachricht von mir und raufe mir die Haare, weil ich mich mehrmals wiederholt und so unnötige Sprachminuten angehäuft habe. Was für eine Zumutung für die Adressatin, schäme ich mich.

Diesbezüglich kann ich mich entspannen. Mein auditives Gegenüber kann meine Infos schneller laufen lassen. Zumal es – laut der Forschung – fürs Hirn sogar bekömmlich ist. Ein bisschen Stress schadet nichts; dieses Prinzip kennen wir ja schon.

Trotzdem behagt mir die Möglichkeit der Beschleunigung nicht und ich stelle mir vor, ich könnte und würde die Funktion in meinem realen Leben anwenden. Wenn es langweilig und mühsam ist, wähle ich das Tempo 1.5 bis 2 und wenn der Spassfaktor hoch ist, verlangsame ich (Achtung an allfällige SuS, die hier mitlesen – das ist dann ein UMGEKEHRTER Dreisatz!).

Wir hätten so die ganze Sch…pandemie schneller durchspulen lassen können und auch mein eigener kleiner Mini Lockdown während der letzten drei Wochen wäre im Nu vorbei gewesen.

Nur. Was hätte das letztlich gebracht? Hätten wir denn die Zeit danach bewusster genutzt und genossen? Oder ist es eher so, dass es die zeitweilige Verlangsamung braucht, um wieder in die Gänge zu kommen? Und – würden die Highlights in unserem Alltag so glänzen, könnten wir sie künstlich verlängern?
Ich finde diese Frage für mich nicht einfach zu beantworten und kaue noch daran herum.

Vielleicht gucke ich die Serien auf Netflix fortan mit Faktor 2. Speedwatching. Nicht unbedingt, weil ich dann zwei in derselben Zeit gebacken kriege, sondern um mein Hirn zu trainieren und mir dereinst vielleicht über die wirklich grossen Fragen des Lebens klar zu werden. Oder auch nicht.

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