Auf Wiedersehen

«Das ist jetzt aber komisch, Sie so zu sehen…»
Mit offenem Mund (denk ich mal) starren mich die Kinder an. Ein bisschen erschrocken blicke ich an mir herunter, kann aber nichts Peinliches feststellen. Da dämmert es mir: Die Maske! Schuldbewusst ziehe ich sie schnell über, um in der Folge wieder wie die Tante von Donald Duck auszusehen.

Mein gewohntes Accessoire hatte ich ganz vergessen. In der Mittagspause waren sich zwei Jungs an die Gurgel gegangen und einer von ihnen lag augenscheinlich in den letzten Zügen. Abgebrüht wie ich mittlerweile bin und aufgrund der einen oder anderen Erfahrung sah ich davon ab, die Ambulanz zu bestellen und rief stattdessen die Mutter an, sie möge ihren Sprössling doch bitte abholen, um mit ihm eventuell eine Stippvisite beim Arzt zu machen. Zur Übermittlung dieser frohen Botschaft war ich kurz aus dem Zimmer gegangen und hatte mich der Maske entledigt. Ich hatte auch so schon etwas Mühe, das Ganze zu erklären.

Und nun also grosses Erschrecken in den Kinderaugen vor mir. Ich schluckte schwer und rechnete kurz nach. Etwa ein halbes Jahr muss es jetzt sein, dass mich die Kids nur noch maskiert zu sehen kriegen. Ohne Ausnahme. Ein halbes Jahr in einem zehnjährigen Kinderleben ist ganz schön lang und mein Alterungsprozess nicht stehengeblieben. Schon überlegte ich, ob ich die nächsten Sommerferien in den Dienst einer Generalüberholung meines Gesichts stellen sollte – die Ferien am Strand fallen vermutlich sowieso wieder ins Wasser – da meldete sich mein vernünftiges Ich. «Den Kindern ist ja wohl egal, wie zerknittert dein Antlitz mittlerweile ist», spottete es. «Für die bist du sowieso steinalt.» Erst kürzlich hatte mich ein Schlawiner keck nach meinem Alter gefragt, um auf meine Antwort betroffen zu schweigen. (Dass man in diesem hohen Alter überhaupt noch funktionstüchtig ist…)

Nein, das Erschrecken bezog sich wohl mehr darauf, dass sie womöglich vergessen hatten, wie ich überhaupt aussehe. Hatten sie mich, ihre neue Lehrerin, doch nur ganz am Anfang des Schuljahres einige Male unvermummt gesehen.
Es liegen noch etwas mehr als zwei gemeinsame Jahre vor uns. Hoffentlich sehen wir uns bis dahin mal noch. So von Angesicht zu Angesicht.

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