Spagat

Samstagmorgen. Ich sollte mal wieder was schreiben…
Stattdessen schnuppere ich ein wenig auf meinen Lieblingsblogs, sehe, dass Frau Flohnmobil schon wieder am Skifahren ist ( Hallo?! Draussen zwitschern die Vööööögel, es wird Früüüüüüüühling!)), stelle bestürzt fest, dass es die Seite von Lesbomat nicht mehr gibt, ärgere mich mit Inch über die absurden Auswüchse administrativer Verirrungen des Staates und gönne mir zusammen mit dem Morgenkaffee eine Portion Lebensweisheit bei Anhora. Es ist immer eine Freude bei ihr zu lesen und die ehrlichen, originellen Antworten auf den Fragenkatalog zum Blog Award schlürfe ich praktisch mit dem Morgenkaffee.
Chapeau – ich hasse solche Fragenkataloge; zu sehr erinnern sie an lästige Schulaufgaben.
Das geht insgeheim wohl auch Anhora so, weshalb sie den Blogaward nicht weitergibt, sondern ihre Leser einlädt, einzelne Fragen zu beantworten.

Gute Idee, denke ich, und weil mir momentan grad nichts anderes einfallen will, schnappe ich mir zwei dieser Fragen, um mal kurz in mich und damit auch wieder hinaus zu gehen (in die Blogwelt).

Was war dein Kindheitstraum – und was ist daraus geworden?

Ich glaube, das waren mehrere, aber ziemlich oben auf der Liste stand der Wunsch, eine Eisprinzessin zu werden und insbesondere: den Spagat zu können.
Stunden zu nehmen stand allerdings ausser Frage – viel zu teuer – aber immerhin war ich glückliche Besitzerin von Schlittschuhen. Unlängst war in unserem Dorf eine Kunsteisbahn eröffnete worden und meine Eltern hatten die horrenden Kosten für zwei Paar Schlittschuhe für meinen Bruder und mich gegen ein paar ruhige Stunden abgewogen.
Also übte ich selber stundenlang auf dem Eisfeld Sprünge, Pirouetten, Vorwärts- und Rückwärtsübersetzen. Mit mässigem Erfolg, wie ich kleinlaut berichten muss, denn eine Eislaufprinzessin wurde natürlich nicht aus mir. Ich hatte ja nicht mal das entsprechende Röckchen, sondern nur die alten Manchesterhosen, die nach einer Stunde einen nassen Hosenboden aufwiesen. Auch der unvorteilhafte Kurzhaarschnitt, den mir meine Mutter jeweils verpasste, zusammen mit der zeitgemäss schrecklichen Brille waren keine Hilfe.
Ich verlegte mich also darauf, in meinem Zimmer weiter zu üben, um endlich den Spagat zu können.
Mit dem Spagat tat ich mich aber schwer, sehr sogar.
Auch rohe Gewalt machte es mir nicht möglich, meine Beine schön flach auf den Boden zu kriegen, immer blieb da noch eine viel zu grosse Lücke. Meine Bemühungen fanden natürlich im Geheimen statt, was ich heutzutage ein bisschen bereue. Meine Mutter hätte mir die Ohren langgezogen, hätte sie mich dabei ertappt, hatte ich mein Leben doch mit einer Hüftluxation begonnen, die erst nach zwei Jahren entdeckt wurde, weshalb ich längere Zeit nachts mit einem Gestell an den Beinen schlafen und regelmässig zum „Beine messen“ gehen musste. Schliesslich rollte der Arzt aber eines Tages zufrieden sein Messband ein – offenbar waren jetzt beide wieder gleich lang – und im Kindergarten hatte ich einzig noch die Auflage, nach Möglichkeit hohe Schuhe zu tragen. Soweit jedenfalls meine Erinnerung, denn ich vergass die Angelegenheit schnell, zumal ich in meinen späteren Lebensjahren immer viel Sport trieb.

Eine Eisprinzessin wurde also nie aus mir, das mit dem Spagat gab ich irgendwann auf, aber immerhin wurde ich noch Tänzerin, denn ich entdeckte mit weit über zwanzig Jahren den modernen Tanz und pilgerte in der Folge mehrmals pro Woche zur Tanzschule, wo ich Stunden reinen Glücks erlebte.
Und auch heute tanze ich noch gerne, wenn irgendwo mal wieder Oldies aufgelegt werden. Dann vergesse ich den Alltag, und mein Alter, und auch meine Hüfte vergesse ich, obwohl die mir in letzter Zeit schmerzhaft bewusst macht, dass es im Leben eigentlich doch immer darum geht, den Spagat zu machen.

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9 Antworten zu Spagat

  1. Flohnmobil schreibt:

    Zum Glück geht Skifahren ganz und gänzlich ohne Spagat vonstatten. Zumindest was die Technik als solche betrifft. Ansonsten ist natürlich die Sache mit dem Abwägen (Schneeglöckchen oder doch lieber Schneeflöckchen) auch mit gewissen Verrenkungen verbunden.

  2. Anhora schreibt:

    Liebe Renate, ich freu mich so, dass dich die Fragen im Blog-Award zu diesem verträumten Beitrag veranlasst haben. 🙂 Ich mag solche Geschichten sehr, sie sind wie Perlen.
    Übrigens: Eine Eisprinzessin wollte ich nie werden, aber den Spagat konnte ich jahrelang. Erst als ich ein Jahr in New York lebte und vor lauter Aufregung die täglichen Dehnübungen nicht mehr machte, war es vorbei damit. Da gab es dann doch Wichtigeres. 😉

  3. Anhora schreibt:

    PS: Ein herzliches Dankeschön auch für die netten Worte zu meinem Blog! Das hat mir den Abend verschönt:-)

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