Kleines grosses Glück

Liebe Frau Esmeralda

Ich erlaube mir, ganz unkompliziert in meinem Blog das Wort an Sie zu richten. Da Sie, wie Ihrem freundlichen Brief zu entnehmen ist, „telepathisch mit mir in Kontakt getreten sind, Ihre Antennen ausgefahren haben und mich inzwischen schon sehr gut kennen“, dürfte es für Sie kein Problem sein, meine Botschaft ruck zuck aufzufangen. Auch wenn Sie nicht an Ihr Postfach in Buchs adressiert ist.

Ganz unrecht haben Sie ja nicht, liebe Frau Esmeralda, das muss ich Ihnen lassen. Tatsächlich gibt es in meinem Leben gerade grössere Umwälzungen. Das rührt daher, dass der Handyman sich in meine Ruhe gesetzt hat, der Teenager selbige aber permanent stört. Ausserdem weiss ich immer noch nicht, ob ich jetzt Vollzeit-Hausfrau, Bestsellerautorin, wieder Lehrerin oder aber Millionärin werden will, das ändert von Tag zu Tag. Bei Letzterem könnten Sie mir helfen, meinen Sie, und da werde ich natürlich hellhörig. Tatsächlich ist es nämlich in jüngster Zeit dazu gekommen, dass ich ab und zu verstohlen einen Lottoschein ausgefüllt habe, weil ich gegen ein paar Millionen prinzipiell nichts einzuwenden hätte. Zwar bin ich – in dieser Beziehung haben Sie zu hundert Prozent daneben empfangen! – leidlich zufrieden mit meinem Leben, man könnte sogar sagen: glücklich, aber das Geld könnte ich dafür gebrauche, meiner Mutter einen würdevollen Abgang zu verschaffen. Ein paar geruhsame Jahre in einem netten, kleinen, privaten Pflegeheim, wo sie nach wie vor das Recht auf Privatsphäre hätte und nicht jeder zusätzliche Handgriff des Pflegepersonals sofort in einem höheren Monatsbetrag resultierte, würde auch mich glücklich – also noch glücklicher, als ich schon bin – machen.

„Reichtum, Wohlstand und Glückseligkeit zu erlangen“ ist laut Ihnen, liebe Frau Esmeralda, ein Kinderspiel. Ich brauche Ihnen einzig 47 Franken zu schicken und schwupps, schon schenken Sie mir (nach dem Motto „wie du mir, so ich dir“) diesen einzigartigen magischen Ring, den überzustreifen ich keinerlei Schwierigkeiten haben sollte, da er – weil ich ja für ihn auserwählt wurde – tadellos an meinen Finger passen wird.

Ganz störungsfrei scheinen Ihre Antennen nicht zu funktionieren, liebe Frau Esmeralda, sonst wüssten Sie, dass ich es mit Ringen nicht so habe. Aus einem unerfindlichen Grund fühlen sich meine Finger in ihnen sehr unfrei. Wenn überhaupt, so würde ich einen Ring des Handymans tragen. Da es ihm aber ähnlich ergeht wie mir, sind wir bei unserer Hochzeit übereingekommen, auch ohne Ringe glücklich zu sein und siehe da: Das funktioniert seit etlichen Jahren. Da ich also keinen Ring zum Glück brauche, ergo das eine offenbar nicht vom anderen abhängt, habe ich mich dazu durchgerungen, liebe Frau Esmeralda, den magischen Ring bei Ihnen zu belassen. Auch ich verfüge nämlich über ein paar ziemlich feine Antennen und die sagen mir, dass Sie das Glück nötiger haben als ich.

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4 Antworten zu Kleines grosses Glück

  1. runningtom schreibt:

    Eine sehr ausführliche und fundierte Betrachtung. Die könnte die liebe Frau Esmeralda doch gleich abdrucken als Erfahrungsbericht einer glücklichen Nichtkundin.

  2. Tamar schreibt:

    Wunderbar spöttisch! Kompliment!

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