Mütterlicher Fortschritt

Der Beitrag von Beautiful Venditti
über das Loslassen, das einer Mutter überaus schwer fällt, hat mich heute zu einer Standortbestimmung inspiriert. Wie gut kann ich ihn loslassen, den Teenager? Verglichen mit früher habe ich Fortschritte gemacht. Nur ungern werde ich beispielsweise an die erste Nacht ohne mein Kind erinnert, wo ich den Paten zusammen mit dem Kind eine dreiseitige Gebrauchsanleitung aushändigte. Dieser Mangel an Vertrauen wird mir heute noch vorgehalten. Im Laufe der Jahre gewöhnte ich mich daran, eine Nacht ohne unseren Sprössling zu sein. Als bedauernswertes Einzelkind ermöglichten wir ihm anderweitige geschwisterliche Erfahrungen, indem Freundinnen bei uns übernachteten oder eben umgekehrt.

Eines Tages galt die Einladung nicht bloss für eine Nacht, sondern für zwei. Im Tessin! Sooooo weit weg von zu Hause. Der Zufall wollte es, dass der Handyman gerade im Land war, aber kein Zufall war es natürlich, dass wir unseren geschenkten Honeymoon ebenfalls im Tessin verbrachten … (man weiss ja nie, wann das Kind Heimweh kriegt.) Das Kind bekam kein Heimweh, nie, auch in den folgenden Jahren nicht, als uns noch Schlimmeres bevorstand. Das erste Klassenlager zum Beispiel. In den ersten Tagen nach des Teenagers Geburt war die Aussicht darauf das Einzige, was mich vor einem Nervenzusammenbruch bewahrt hatte (In etwa zehn Jahren geht das Kind ins Klassenlager; dann kann ich wieder eine Nacht durchschlafen). Nun war es soweit, aber genoss ich meine Freizeit etwa? Nein, ich malte mir alle möglichen Sachen aus, die dem Teenager, der ja noch keiner war, zustossen konnten und zählte die Stunden, bis ich ihn wieder unversehrt in die Arme schliessen konnte.

Als der Teenager – nun wirklich bald einer – in die Oberstufe kam, bedeutete dies das Ende unseres gemeinsamen Schulwegs. Fortan fuhr das Kind – denn das war es ja noch – mit Bus, Zug und Tram in die grosse gefährliche Stadt, um erst am späteren Nachmittag wieder nach Hause zu kommen. Logisch begleiteten der Handyman und ich den Teenager am ersten Tag zur neuen Schule und weil er aufgrund der Umstände nie einen „normalen“ Schulweg zu bewältigen hatte, stellte ich mich darauf ein, dies mehrere Tage lang zu tun. Denkste! Sanft aber unwiderruflich machte mir mein Kind klar, dass das überhaupt nicht in Frage komme, es sich in der grossen weiten Welt sehr gut zurechtfinden würde und ich es bitte nicht weiter belästigen möge. (Dass der Teenager der neuen Herausforderung durchaus gewachsen war, eröffnete sich mir kurze Zeit später auf einem Mutter-Tochter-Ausflug nach Paris. Ganz ehrlich: Ohne mein Kind wäre ich verloren gewesen!)

Nochmals schwer schlucken musste ich, als der Teenager das erste Mal ohne mich wegflog. Ehemalige Segelfliegerin hin oder her; WAS, wenn das verdammte Flugzeug abstürzen würde?! Ausserdem ist London nun mal nicht gleich um die Ecke. Schritt für Schritt führte uns das Leben so über die Hürden des Loslassens, eine höher als die andere. Mittlerweile, darauf bin ich sehr stolz, habe ich mich daran gewöhnt, dass der Teenager auch Ferien ohne uns verbringen will. (Sonst sind es ja irgendwie keine richtigen Ferien, nicht wahr?)

Habe ich das?

Ich weiss schon jetzt, dass mir in zwei Wochen, wenn ich den Teenager frühmorgens bei seiner Freundin abliefere, wind und weh ums Herz sein wird. Richtig gut gehen wird es mir erst eine Woche später wieder, wenn wir ihn in Südfrankreich abholen…und er hoffentlich gesund und munter ist.

 

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